Ganz ehrlich: Wie geht es dir?

In guten wie in schlechten Zeiten – Persönlichkeit zählt

Wer wir sind, wie wir uns fühlen: Unser Selbstverständnis hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Kreativität – und das wollen wir teilen. Dank der sozialen Netzwerke können längst nicht mehr nur ausgewählte Künstler, sondern jede und jeder Einzelne ihre Geschichten mit Menschen überall auf der Welt teilen. Kein Wunder also, dass Instagram allein im vergangenen Jahr mehr als eine Milliarde aktive Nutzer pro Monat verzeichnet hat.

Brenda Milis, Principal of Visual Trends bei Adobe Stock, beobachtet das tiefgreifende Bedürfnis, der Welt sein wahres Ich zu zeigen, bereits seit einer Weile. Der zweite Visual Trend 2020 heißt deshalb „Express Yourself“. „Unsere Visual Trends greifen relevante visuelle Strömungen auf“, erklärt sie. „Nicht jedes aufploppende Phänomen hat das Potential zum Trend. Doch wenn sich ein langfristiges Interesse und steigende kommerzielle Nachfrage abzeichnen, dann sprechen wir von einem Visual Trend.“

„Langfristiges Interesse“ bedeutet jedoch mitnichten „Stillstand“ – im Gegenteil. Insbesondere die Selbstdarstellung verzeichnet – nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken – eine dramatische Entwicklung. Standen am Anfang von Instagram und Co. sorgfältig kuratierte Profile, zeigen sich Nutzer jetzt zunehmend ungefiltert. Diese radikale Offenheit, aber auch die berührende Verletzlichkeit, die uns heute in unseren Feeds begegnet, wäre noch vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen.

Das überrascht nicht, bringt doch eine wachsende Anzahl Studien den in sozialen Netzwerken ausgestellten Perfektionismus mit Burnout und Depressionen in Verbindung. Aufrichtig über die eigenen Tiefpunkte zu berichten, wird längst nicht mehr mit persönlichem Versagen oder Schwäche gleichgesetzt. Gerade hier können soziale Netzwerke ihre Stärke ausspielen, eine starke Gemeinschaft bilden und uns das Gefühl geben, nicht allein mit unseren Erfahrungen zu sein. Auf diesen Trend zahlt auch die 2018 von MIT-Studenten ins Leben gerufene Konferenzreiche „FAIL“ ein, in deren Rahmen namhafte Wissenschaftler berichten, welche Rückschläge und Hindernisse sie im Laufe ihrer Karriere überwinden mussten.

Mach Limonade draus!

Diese radikale Offenheit gewinnt nicht zuletzt dank der schonungslosen Beichten heute gefeierter Kreativschaffender an Zugkraft. Berühmt ist inzwischen J.K Rowlings freimütige Bekenntnis, vor dem Erfolg der Harry Potter-Reihe „so arm“ gewesen zu sein, „wie es im modernen Großbritannien ohne Obdachlosigkeit möglich ist“. Und auch Rapper und Unternehmer Jay-Z erinnert sich, dass ihn zunächst jedes Plattenlabel abgewiesen habe: „Der Typ ist furchtbar. Er kann nichts“, so die gängige Einschätzung.


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Auch Oprah Winfrey wurde, bevor sie mit ihrer gleichnamigen Talkshow Milliarden verdiente, ihr erster Job beim Fernsehen mit der Begründung, sie sei „ungeeignet für Fernsehnachrichten“ gekündigt. „Die Absage hat mich bis ins Mark erschüttert – und ich habe es zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gemerkt“, erzählte sie der Baltimore Sun im Jahr 2011. „Rückblickend hat diese Absage jedoch entschieden zu meinem persönlichen Wachstum beigetragen.“

Kern dieser radikalen Aufrichtigkeit ist der Wunsch, gemeinsame Erfahrungen zu teilen und anderen Mut zu machen. Da ist es nur konsequent, dass scheinbar nach Drehbuch geschriebene, geradlinig verlaufende Erfolgsstorys zunehmend von authentischen Erzählungen mit all ihren Höhen und Tiefen abgelöst werden. Das US-amerikanische Unternehmen Target etwa stellt in einer kürzlich erschienenen Werbekampagne die Geschäftsfrau Bea Dixon vor. Dixon spricht offen darüber, was sie dazu motiviert hat, Honey Pot, ihre Produktlinie für Körperpflegeprodukte zu entwickeln: „Mir war klar: Honey Pot muss laufen. Denn ich will, dass jedes schwarze Mädchen mit einer guten Idee ihre Chance bekommt. Dafür braucht es Vorbilder.“

Nach der Veröffentlichung der Kampagne sah sich Dixon mit einer Flut rassistischer Reaktionen konfrontiert, gleichzeitig stieg der Absatz ihrer Produkte jedoch um 50 Prozent.


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Es sind Geschichten wie diese, die Brenda zur Auswahl neuer Visual Trends inspirieren. „Egal ob Fernsehstatistiken oder Entwicklungen in der Fashion Szene – ich recherchiere in praktisch jedem Bereich der Kreativ-Industrie“, erzählt sie. „Dabei stoße ich oft auf Muster und Tendenzen, die auf den ersten Blick gar nicht miteinander zusammenzuhängen scheinen. Auf den zweiten Blick zeigt sich dann aber oft, dass soziale, politische und kulturelle Veränderungen sehr eng miteinander verzahnt sind.“

Jeder für sich – aber gemeinsam

Aktuell steht natürlich die globale COVID-19 Pandemie ganz oben im Bewusstsein der meisten Menschen. Um Infektions- und Sterberate zu senken, gelten weltweite Reise- und Kontaktbeschränkungen – doch das ist für viele erst recht ein Ansporn, kreative Lösungen dafür zu finden, wie wir trotz Social Distancing zusammen weniger allein sein können.

In Italien, einem der am härtesten betroffenen Gebiete, musizieren Menschen nicht nur abends gemeinsam am Fenster, es finden sogar Tennisspiele von Balkon zu Balkon statt. Und wenn Kinos geschlossen bleiben müssen – warum nicht einfach klassische Filme auf Gebäudefassaden projizieren und gemütlich aus dem eigenen Fenster zuschauen? Und auch in Deutschland treten Abend für Abend Menschen auf ihre Balkone, um ihre Solidarität mit systemrelevanten Personen wie dem Krankenhauspersonal, aber auch Verkäuferinnen und Verkäufern in Supermärkten zu applaudieren.


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Gerade jetzt ist Humor wichtiger denn je. Klar, dass in den sozialen Netzwerken aktuell noch mehr Challenges als sonst trenden: Von körperlichen Herausforderungen (Heb deine Couch hoch) bis hin zu Haustieren tauchen einige Kuriositäten in unseren Feeds auf. Doch egal welcher Challenge sich die Nutzer stellen: Zentraler Bestandteil ist, Freunde zu markieren und den Stab weiterzugeben. Auch in der Facebook Gruppe „Social Distancing“ kommen Kreativität und Humor zusammen: Parodien bekannter Kunstwerke bekommen durch das Einbeziehen der aktuellen Situation eine neue, zeitgenössische Bedeutung. Und so steht Gran Woods amerikanisches Paar im statt vor dem Haus – die Heugabel muss draußen auf dem Rasen bleiben – und das Diner in Edward Hoppers „Nighthawks“ bleibt leer.

Selbst Erkrankte üben sich in Humor: Drei unter Corona-Verdacht stehende WG-Bewohner schlossen sich kurzerhand zu einer improvisierten Band zusammen, um einen so bissigen wie lustigen PSA-Song über das Virus zu performen.

Schwierige Zeiten, schwierige Gefühle

Doch der leichtfüßige Humor kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass COVID-19 Gemeinschaften weltweit sowohl emotional als auch körperlich herausfordert. Gerade jetzt zeigt die Darstellung des eigenen Selbst eine sehr persönliche, menschliche Sicht auf die Krise. The Associated Press veröffentlichte am 28. März eine berührende, ausdrucksstarke Bildserie von Mitarbeitern italienischer Kliniken. Schock und Erschöpfung zeichnen die Gesichter deutlich. Weltweit reagierte das Gesundheitspersonal mit eigenen Posts, die Mitarbeiter in voller Schutzmontur zeigen, die die Bevölkerung mit selbstgezeichneten Schildern auffordern: „ Wir bleiben für euch hier, bitte bleibt ihr für uns zu Hause“.


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Auch Ärztinnen und Ärzte zeigen in den sozialen Netzwerken, welche Einschnitte die Pandemie hervorruft. Dr. Lisa Miller aus Seattle twitterte ein Bild ihres Kollegen aus der Anästhesie, Dr. John Henao, der lediglich eine provisorische Schutzmaske trägt. Im begleitenden Text macht sie deutlich, wie gravierend sich die Knappheit persönlicher Schutzausrüstung auf ihre Arbeit auswirkt. Miller und ihre Kolleginnen und Kollegen stehen mit diesem Problem nicht alleine da: Tweets unter dem Hashtag #getmePPE trenden landesweit, „The Guardian“ bündelte Millers Tweets gemeinsam mit vielen weiteren Hilferufen von Pflegepersonal sowie Ärztinnen und Ärzten.

Gleichzeitig teilen an COVID-19 Erkrankte ihre Erfahrungen in den sozialen Netzwerken. Personen aller Altersgruppen, jeder Herkunft und jeden Geschlechts, darunter auch einige prominente Persönlichkeiten, fordern zu Solidarität auf. Am 17. März twitterte Idris Elba ein Video, in dem er bekannt gab, dass er und seine Frau Sabrina Dhowre sich mit dem Virus angesteckt hätten. „Wir leben aktuell in einer geteilten Welt“, so der Schauspieler. „Umso wichtiger ist es jetzt, dass wir Solidarität zeigen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir füreinander da sind, denn die Krankheit betrifft so viele von uns.“ Auch Tom Hanks, Daniel Dae Kim, Slim Thug und Kristofer Hiviu gehören auch zu der wachsenden Liste von Prominenten, die sich in den sozialen Netzwerken zu ihrer Infektion geäußert haben.

Doch je bedrohlicher die Situation, desto stärker wächst auch die kreative Inspiration, mit der aktuellen Lage umzugehen. Die Zahnärztin Sara Shakeel macht mit Fotos, auf denen Wasser und Seifenblasen spielerisch glitzern darauf aufmerksam, wie wichtig das richtige Händewaschen ist, die italienische Illustratorin Guilia Rosa macht Schutzmasken zu integralen Bestandteilen ihrer surrealistischen Portraits.

Not macht erfinderisch

Die Isolation und der Wunsch nach Gemeinschaft bringen auch völlig neue Arten künstlerischer Zusammenarbeit mit sich. Die Kompositionsstudentin Shelbie Rassler organisierte gemeinsam mit ihren Mitstudierenden ein virtuelles Orchester, um ein Ensemble-Arrangement von “Love Sweet Love” zu spielen. Das gemeinsame, virtuelle Konzert fand sofort Anklang: Selbst Burt Bacharach, der Komponist des Songs „Love Sweet Love“ schrieb der Studentin eine Nachricht und erzählte im Interview mit NPR, wie „stolz und geehrt“ er sich durch die Hommage fühle: „Es ist toll zu sehen, wie Menschen auch in schweren Zeiten Mittel und Wege finden, auf kreative Weise miteinander zu kommunizieren und die physische Distanz zu überbrücken.“


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